Spielverderber Verkehrssicherung? Verkehrsrechtliche Anordnungen im Glasfaserausbau

Das BMDS gibt Gas für mehr Glasfaser in Deutschland: Seit diesem Sommer ist das „überragende öffentliche Interesse“ des Glasfaserausbaus bis 31.12.2030 im § 1 TKG verankert. Beim BMDS-Stakeholder-Dialog am 28.10.2025 wurden die Stellschrauben für mehr Tempo klar benannt: Förderkulisse, Open-Access-Anreize, Kupfer-Glas-Migration, Genehmigungsverfahren. Eine TKG-Novelle soll zeitnah dringend benötigte Klarstellungen und Logiklöcher schließen – u.a. rund um die Wegerechte nach § 125 ff. TKG.

Dieser Ansatz ist wichtig und richtig. Er berücksichtigt die besonderen Anforderungen des flächendeckenden Glasfaserausbaus im Vergleich zu „klassischen“ Sanierungs- oder Reparaturarbeiten im öffentlichen Verkehrsraum. Das TKG regelt ebendies für Netzplanung und (Tief-)Bau. Ein dritter, entscheidender Aspekt fällt dabei jedoch regelmäßig aus dem Raster: Verkehrsrechtliche Anordnungen (VRA) nach § 45 der Straßenverkehrsordnung (StVO).

Klare Trennlinie zwischen TKG und StVO

Während das TKG den Telekommunikationsunternehmen (TKU) Sonderrechte und -pflichten für Bauarbeiten im öffentlichen Raum einräumt – Wegerechte nach § 125 TKG, Anforderungen an die Legung und Änderung von TK-Linien nach § 127 TKG oder die Rücksichtnahme-Vorschriften nach §§ 129 ff. TKG – sucht man diese im Straßenverkehrsrecht bislang vergeblich.

Damit der Glasfaserausbau in der Fläche jedoch funktioniert, müssen mehrere Kolonnen auf vielen Baustellen zeitgleich arbeiten. Herkömmliche VRA-Logiken für Einzelmaßnahmen sind dafür nicht gemacht. In der Praxis wird die Verkehrssicherung daher regelmäßig zum Nadelöhr für TKU: VRA-Anträge stauen sich auf, Kolonnen stehen still, die Baugeschwindigkeit nimmt ab. Projektkosten steigen signifikant, der Glasfaserausbau wird unwirtschaftlich. Hiervor hatten TK-Verbände Anfang des Jahres bereits in einem Positionspapier gewarnt.

Größe der Kommune beeinflusst die Anforderungen an die Verkehrssicherung

Je größer eine Kommune ist, desto granularer wird in der Regel ihre Verkehrssteuerung. Das ist nachvollziehbar, da die Anzahl der für die Verkehrssicherheit relevanten Parameter zunimmt, z.B. durch Ausfallrouten, ÖPNV, Einsatzwege, Krankenhäuser/Schulen/Altersheime oder Müllentsorgung. Für den Glasfaserausbau jedoch ist das eine große Hypothek, was sich nachfolgend am Beispiel einer Kommune mit 500 Straßen anhand verschiedener Verwaltungsprinzipien zeigt:

  • Prinzip „eine VRA je Straße“: Bedeutet zugespitzt 500 VRA-Anträge, 500 Mal Bearbeitungszeit und 500 Mal Verwaltungskosten.
  • Prinzip „nicht mehr als eine VRA gleichzeitig“: Bedeutet zugespitzt, dass nur eine Kolonne eingesetzt werden kann – anders formuliert: sechs Arbeiter für z.B. 75km Trasse.
  • Prinzip „keine Baustellen länger als 50m“: Bedeutet zugespitzt, dass diese eine Kolonne regelmäßig stillsteht, weil sie 50m Tiefbau bis 15 Uhr schafft und danach bis Feierabend mit Abbau der alten und Aufbau der neuen Baustelle beschäftigt ist.
  • Prinzip „Rücknahme Verkehrssicherung erst nach Abschluss aller Baustellen“: Bedeutet zugespitzt, dass sich die Mehrkosten aus jahrelangen Projektverzögerungen potenzieren.

Das dürfte für alle Beteiligten unbefriedigend sein, weil in aller Regel erhöhter Bürokratieaufwand, höhere Verwaltungskosten, weniger operative Effizienz und längere Projektlaufzeiten die Folge sind.  Eine zu restriktive VRA-Praxis kann den Glasfaserausbau demnach ausbremsen oder sogar verhindern, selbst wenn der Wegebaulastträger z.B. mindertiefe Bauweisen nach TKG akzeptiert oder seine Zustimmung nach § 127 Abs. 1 TKG erteilt.

Begrüßenswert wäre daher die Schaffung eines VRA-Sonderprozesses für den Glasfaserausbau, der die vorgenannten Prinzipien lockert und gleichzeitig die öffentliche Ordnung und die Verkehrssicherheit hinreichend gewährleistet.

Praktisch umsetzbare Alternativen zu einem bloßem Anzeigeverfahren

Zuletzt wurde gefordert, das Genehmigungsverfahren nach § 45 StVO für den Glasfaserausbau durch ein Anzeigeverfahren zu ersetzen. Das kollidiert jedoch mit der kommunalen Aufgabe, die Verkehrssicherheit zu gewährleisten. Eine reine Anzeige nimmt Kommunen regelmäßig diese Möglichkeit, weil sie dann bei Fehlplanungen (z.B. unpassende Regel-/Verkehrszeichenpläne, Nichtbeachtung von Rettungsrouten, Schulwegen oder Verkehrs-Engstellen) nicht steuernd eingreifen können.

Denkbar wäre daher z.B., ein vereinfachtes VRA-Verfahren für den Glasfaserausbau in der StVO oder jedenfalls in der VwV-StVO zu implementieren, das nach Größe und Komplexität der Gegebenheiten vor Ort differenziert und so die Waage hält zwischen Verkehrssicherheit und Effizienz im Bau. Eine Spezialregelung im TKG selbst dürfte aber kaum realistisch sein, da es vorwiegend um die Regelung der Verkehrssicherheit geht. Zwar können Kommunen hierzu im Rahmen der Nebenbestimmungen gemäß § 127 Abs. 8 TKG auch Vorgaben machen, allerdings würde eine konkrete Privilegierung des VRA-Verfahrens darüber hinausgehen und zudem vom Leitbild des § 45 StVO abweichen. Hier wäre das Bundesministerium für Verkehr gefordert, von seinen Kompetenzen z.B. in der Ermächtigungsnorm des § 6 StVG Gebrauch zu machen.

Für ein solches vereinfachtes VRA-Verfahren könnten die nachfolgenden Parameter festgelegt werden, wobei die grundsätzliche Genehmigungspflicht für VRA erhalten bliebe:

  • Menge an Straßen, die ein VRA-Antrag maximal umfassen darf (z.B. alle Straßen eines Stadt-/Ortsteils) und die eine VRA mindestens umfassen muss (z.B. mindestens einen Netzverteiler-Bereich). Mehrere VRA könnten auf Basis nur eines VRA-Antrags erteilt werden, solange für alle beantragten Straßen passende Regel- bzw. Verkehrszeichenpläne vorliegen;
  • Mindest-Anzahl an VRA, die gleichzeitig erteilt werden müssen bzw. dürfen;
  • Ausreichende Regel-Länge der Baustellen & klare Definition von Ausnahmen z.B. für Haupt-/Rettungsrouten oder Kitas/Schulen;
  • Maximal-Anzahl gleichzeitig aktiver Tiefbau-Kolonnen;

Diese Parameter könnten je nach erwarteter Komplexität der Verkehrsführung in einer Kommune strikter oder großzügiger definiert werden. Denkbar wäre beispielsweise eine Einteilung nach Einwohnergröße, jeweils ergänzt um entsprechende Bearbeitungsfristen:

  • enge Definition für Großstädte (ab 100.001 Einwohner);
  • weite Definition für Dörfer und Kleinstädte (bis 20.000 Einwohner);
  • ein Mittelweg für sub-urbane Gebiete (20.001 bis 100.000 Einwohner).

Im Gegenzug könnten TKU bzw. ihre bauausführenden Firmen verpflichtet werden, regelmäßig (z.B. alle zwei Wochen) einen aktualisierten Bauzeitenplan bei der Straßenverkehrsbehörde einzureichen, aus der die unmittelbaren Ausbauplanungen im Kommunalgebiet hervorgehen. Ein Eingriffsrecht der Straßenverkehrsbehörde bei Verletzung dieser Pflicht, z.B. durch Anordnung eines Baustopps ohne weitere Bedingung, wäre als weiteres Steuerungselement denkbar.

Eine solche Anpassung der StVO bzw. VwV StVO würde Verwaltungsaufwand reduzieren, genug Bauvolumen ermöglichen und den Kommunen effektive Steuerungsmöglichkeiten überlassen. Im Ergebnis stünde mehr Rechts- und Planungssicherheit für alle beteiligten Parteien und: Der Digitalminister könnte mit einem weiteren Bürokratieabbauprojekt in der Branche punkten.

Kommt gerne zu diesem Thema oder zu weiteren Fragen rund um den Glasfaserausbau in Deutschland direkt auf uns zu! Sebastian Euler / Marco Creutz 

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